Focus@Campus

Leicht und luftig

Zur Überwindung materieller Schwere in der Architektur

Editorial

Zur Überwindung materieller Schwere in der Architektur

von Sorana Radulescu

Die Last des Materials, des Bauwerks und sogar der Verantwortung unserer planenden Disziplin wird zunehmend deutlich. Als Pendant dazu beschäftigen wir uns in dieser Ausgabe mit verschiedenen Aspekten der Leichtigkeit.

Kürzlich hat die deutsche Bundesregierung eine Leichtbaustrategie beschlossen, mit dem Ziel, den CO₂-Ausstoß und den Energieverbrauch zu reduzieren. Dies setzt eine Einsparung von Ressourcen, Material und Gewicht voraus, erreichbar durch umweltfreundliche Herstellungsverfahren, innovative Bautechniken und eine präzise Auswahl von Rohstoffen. Der Leichtbau zielt auf eine Entmaterialisierung der Struktur und auf deren Reduktion auf das unmittelbar Nötige ab. Beispielhaft für dieses Umdenken ist das experimentelle Demonstrator-Hochhaus der Universität Stuttgart. Die Qualität der Leichtigkeit bezieht sich aber nicht ausschließlich auf eine Minimierung von Gewicht und Masse, sondern auch auf Flexibilität, Mühelosigkeit oder Unkompliziertheit. Es gibt zahlreiche Ansätze, die materielle Schwere in der Architektur zu überwinden und eine ausgewogene Balance zwischen Stabilität und Leichtigkeit zu erzielen. Im Weiteren stellen wir euch einige davon vor.

Diese Ausgabe eröffnet mit einem Projekt, das Gewichtsverlust mal nicht durch Materialreduktion, sondern durch spontanes Wachstum erzielt. Spielerisch und scheinbar mühelos experimentiert das interdisziplinäre Forschungsteam des Londoner Büros PLP Architecture mit der natürlichen Porosität der Myzelien und entwickelt daraus Bausteine. Als Nächstes zeigt das Forschungsprojekt „3DWoodWind“ der Universität Kassel, wie die Tragfähigkeit einer Stütze mit minimalem Materialeinsatz gewährleistet wird. Ein additives Verfahren eröffnet neue Wege im Holzleichtbau. Der dritte Beitrag ist eine Untersuchung auf Materialebene im Bereich des textilen Leichtbaus. An der Frankfurt University of Applied Sciences erforscht das interdisziplinäre Team ReSULT, wie sich gewebte Stoffe mit anderen Materialien kombinieren lassen, um neue Baustoffe hervorzubringen. Wie entwirft man aber mit Luft? Leicht, aber auch vergänglich sind die Architekturen mit aufblasbaren Membranen, die der vierte Artikel ausführlich behandelt. Dabei geht es um den persönlichen Ansatz von Albert Tschechne, der seine Recherche unter anderem auf einem Instagram-Kanal präsentiert. Alles in allem eine Lektüre, die zeigt, dass auch spielerisch-leichte Ansätze zu soliden, fundierten Ergebnissen führen können.

Baustoffe wachsen lassen

PLP Labs in London experimentiert mit Pilzen

Text von Uta Gelbke

Vielseitig, biobasiert, abbaubar ­– mit den modulare Myzelblöcken „Symbiocene Living“ erforscht PLP Labs die symbiotische Beziehung zwischen Mensch und Natur. Die Module sind frei kombinierbar, an die Oberflächenoptik muss sich das architektonisch geschulte Auge allerdings erst gewöhnen.

Von der Baubionik zum Symbiozän

Die Baubionik, die sich Strukturen und Eigenschaften aus der Natur zunutze macht, treibt immer wieder die überraschendsten Blüten. Wir erinnern uns an Prof. Werner Sobeks Forschung zum Gradientenbeton, dessen Dichte und Festigkeit nach Vorbild des menschlichen Knochens variieren, oder an Prof. Jan Knippers Lamellenfassade Flectofin, die den Öffnungsmechanismus der Strelitzie nachahmt. Nun also Pilze, genauer gesagt Myzelien.

PLP Labs, das interdisziplinäre Forschungsteam des Londoner Büros PLP Architecture, hat „Symbiocene Living“ entwickelt, einen aus Myzelien und 3D-gedruckten Holzstrukturen bestehenden Biokompositbaustein. Der Name Symbiozän weist darauf hin, dass die Natur hier nicht nur Vorbild steht, sondern eine Symbiose angestrebt wird: Laut PLP birgt das Myzel, das fadenförmige, wurzelartige Netzwerk von Pilzen, ein enormes Potenzial für die Entwicklung des Symbiozäns, der zukünftigen Ära, in der Mensch und Natur aktiv zusammenarbeiten, um eine bessere Welt zu schaffen.

Das DIY-Kit für Myzelbausteine

Um die Rolle von Architektur und Stadtplanung bei der Gestaltung dieser Transformation zu verdeutlichen, hat PLP Labs in einem umfangreichen, einjährigen Experiment das strukturelle und architektonische Potenzial von Myzel-Holz-Kompositbausteinen untersucht. Der Baustein verbindet die natürlichen Eigenschaften von Pilzmyzel mit den digitalen Herstellungstechniken von 3D-gedruckten Holzelementen, die der Verstärkung dienen und dem Myzel mehr Oberfläche zum Wachstum bieten. Der Baustein wächst über einen Zeitraum von 4 bis 7 Wochen, ein DIY-Kit zum selbst Züchten der Bausteine ist bereits in Arbeit. In Ergänzung zu den hervorragenden Isoliereigenschaften und den bekannten Anwendungen als Dämmung oder Akustikplatten konnten im Komposit die statischen Eigenschaften optimiert und verschiedene frei stehende Konfigurationen realisiert werden. Im Gegensatz zu herkömmlichen Materialien wie Beton und Stahl sind Myzelien erneuerbar, biologisch abbaubar und haben nur minimale Auswirkungen auf die Umwelt. Darüber hinaus zeichnen sie sich durch geringes Gewicht und Feuerbeständigkeit aus.


Neue Materialästhetik zum Anfassen

Bei der Clerkenwell Design Week 2023 hat PLP Labs Skulpturen aus seinen Myzelbausteinen der Öffentlichkeit präsentiert. Hier gab es Sitzgelegenheiten, Pflanzgefäße, einen Tisch und Trennwände zu bestaunen. Myzelien sind für verschiedene architektonische Anwendungen geeignet. Dies konnten Besucher*innen aus nächster Nähe erkunden und so eigene Erfahrungen mit der symbiotischen Beziehung zwischen Menschen und Pilzen sammeln. Trotz ihrer in Form gewachsenen geometrischen Genauigkeit bieten die Bausteine eine doch eher ungewöhnliche Oberflächenqualität. Der Anblick der unregelmäßigen, weiß-bräunlichen Masse mag nicht jede*n zum Entwerfen inspirieren. Aber die Suche nach neuen, nachwachsenden Baustoffen beinhaltet auch neue Narrative der Ästhetik. Und da PLP momentan mit organisch geformten, porösen Myzel-Holz-Strukturen experimentiert, zeigt sich, dass diese Entwicklung auch aus ästhetischer Sicht noch nicht abgeschlossen ist.

Über Roma
ROMA ist die führende Marke für Sonnenschutzsysteme mit höchstem Anspruch an Funktionalität, Ästhetik und Langlebigkeit. Als mittelständisches Unternehmen mit über 1.500 Mitarbeitern ist unsere wichtigste Erkenntnis in mehr als 40 Jahren Unternehmensgeschichte: Wohnen beginnt vor dem Fenster. Mit ROMA Rollladen, Raffstoren und Textilscreens haben Sie die Möglichkeit, das Raumklima, die Lichtstimmung und die Privatsphäre zu gestalten, denn kein anderes Element eines Gebäudes hat darauf mehr Einfluss als der Sonnenschutz.

Gut gewickelt

Additive Fertigung im Holzleichtbau an der Universität Kassel

Text von Uta Gelbke

3DWoodWindist ein Wickelverfahren, bei dem Furnierbänder um eine Schalung gelegt und verklebt werden. Durch die Mikrostruktur des Holzes wird die Tragfähigkeit auch bei geringem Materialeinsatz bestmöglich ausgenutzt. Ein interdisziplinäres Team aus den Bereichen digitale Fabrikation, maschinelles Lernen und Tragwerksentwurf hat an der Universität Kassel zusammen mit drei Industriepartnern neue additive Fertigungsverfahren im Holzbau erforscht und an einem 1:1 Projekt umgesetzt. 

Mit dem Fokus auf nachwachsende Baustoffe und vor dem Hintergrund eines möglichst effizienten Umgangs mit der Ressource Holz eröffnet das Projekt 3DWoodWindneue Wege im Holzleichtbau. Dünne Furnierbänder werden zu einer tragfähigen Struktur gefügt, indem die Bänder schichtweise übereinander gewickelt und verklebt werden. Die Ausrichtung und Dichte der Bänder orientiert sich an der natürlichen Faserrichtung des Holzes und den jeweiligen Anforderungen an verschiedene Stellen im Bauteil.

Schmale Bänder, hohe Tragkraft

Im Vergleich zu Subtraktionsverfahren, die überschüssiges Material abtragen und dementsprechend Abfall produzieren, bieten additive Verfahren die Möglichkeit eines vorab präzise bestimmten, robotergestützten Materialauftrags, sodass Überschüsse vermieden werden. Additive Verfahren, die sich an den Eigenschaften des Holzes wie Faserrichtung und Festigkeit orientieren, sind noch ein Novum. Gefördert von Zukunft Bau wurde das „3DWoodWind-Verfahren” zu einem 1:1 Prototypen mit modularen Stützen- und Deckenelementen entwickelt. Der Prototyp besteht aus 2,5 m hohen, pilzförmigen Stützen und einer Deckenkonstruktion aus großen quadratischen Elementen mit 80 cm Kantenlänge. Die schlanke, sich zu beiden Enden ausweitende Form der Stützen ist auf das statische Verhalten abgestimmt und optimiert. Die Module des Deckenrasters sind an der Oberseite über streifenförmige Elemente aus Birkensperrholz und an der Unterseite durch einzelne winkelförmige Eckstücke zu einer biegesteifen Platte miteinander verbunden. Zwischen Stützen und Decke sind ebenfalls biegesteife Verbindungen ausgebildet. Die Deckenmodule haben eine Wandstärke von nur 6mm, was 12 Furnierlagen entspricht. Die Stützen bestehen aus schräg gewickelten Bändern und einem zusätzlichen Stützenkern, der im Fertigungsprozess als verlorene Schalung dient und im Brandfall die Mindestanforderungen an die Standsicherheit gewährleistet.

Entwurfsoptimierung mit KI

Neben der Entwicklung und Umsetzung eines digital gesteuerten Arbeitsprozesses vom Entwurf über die Berechnungen bis zur Fabrikation erfüllt das Projekt den gestalterischen Anspruch, verschiedenen Nutzungen Raum zu bieten und vielseitig einsetzbar zu sein. Die Elemente sind flexibel kombinierbar, erweiterbar und wiederverwendbar. Die Entwurfsgeometrien und Konstruktionseigenschaften im parametrischen Modell dienten als Grundlage für Struktur-, Licht- und Energiesimulationen. Durch maschinelles Lernen konnten so zunehmend optimierte Entwurfsvarianten erarbeitet werden.

Herstellung mit Robotern

Die Anordnung und Verbindung der Furnierstreifen verlangte einen genau abgestimmten Prozess aus sich drehendem Schalungselement und flexibel beweglichem Roboterarm mit integriertem Furnierband und einem speziellen Auftragskopf, der direkt auf dem Holzfurnier aufliegt und stets die exakte Menge an Klebstoff auf das Furnier überträgt. Die Lösung für diese Anforderungen kommt ebenfalls aus Kassel: Die an der Universität Kassel entwickelte Open-Source Software „robot components“ steuerte die Roboterbewegungen, die Drehgeschwindigkeit und die Klebstoffmenge.

Über ROMA
ROMA ist die führende Marke für Sonnenschutzsysteme mit höchstem Anspruch an Funktionalität, Ästhetik und Langlebigkeit. Als mittelständisches Unternehmen mit über 1.500 Mitarbeitern ist unsere wichtigste Erkenntnis in mehr als 40 Jahren Unternehmensgeschichte: Wohnen beginnt vor dem Fenster. Mit ROMA Rollladen, Raffstoren und Textilscreens haben Sie die Möglichkeit, das Raumklima, die Lichtstimmung und die Privatsphäre zu gestalten, denn kein anderes Element eines Gebäudes hat darauf mehr Einfluss als der Sonnenschutz.

Gewebt, leicht, kreislauffähig

Forschungsprojekt zu textilem Leichtbau an der Frankfurt UAS

Text von Natalie Pawlik

An der Frankfurt University of Applied Sciences (UAS) forscht und lehrt das Research Lab for Sustainable, Lightweight Building Technologies (ReSULT) zum Thema nachhaltiger Leichtbau. Der Forschungsschwerpunkt liegt auf dem Zusammenhang zwischen Nachhaltigkeitskriterien sowie der Gewichts- und Materialreduktion. Wie wirkt sich ein geringeres Bauteilgewicht auf den CO₂-Fußabdruck aus? Welche Rolle spielt dabei die Kreislauffähigkeit der Materialien? Diesen und anderen Fragen geht Prof. Claudia Lüling auf den Grund, die in diesem Kontext das Potenzial von textilen Baustoffen untersucht.

Textiler Leichtbau für Wand, Decke und mehr

Textiles Bauen hat eine lange Tradition. Man denke beispielsweise an traditionelle Zeltkonstruktionen, die zu den ältesten Formen menschlicher Schutzbauten gegen Wettereinflüsse zählen. In der Moderne kommt das großmaßstäbliche Bauen mit Textilien etwa im Werk von Frei Otto zum Einsatz, der als ein wichtiger Vorreiter auf dem Gebiet der modernen Membranarchitektur gilt. Aktuell untersucht ein Team des ReSULT rund um Prof. Horstmann beispielsweise ein Wickelverfahren zur Herstellung von dünnwandigen Textilbetonbauteilen, die als Wand- und Deckenelemente Verwendung finden könnten. Zudem forscht die Gruppe um Prof. Claudia Lüling an technischen 3D-Spezialtextilien, deren Anwendungsoptionen über das klassische textile Bauen hinausgehen sollen. Das Team entwickelt derzeit leichte, solaraktive Gebäudehüllen, die als Sonnenschutz fungieren sollen. Dabei können Materialien wie Flachsfasern, PET-Fasern aus Recyclat bis hin zu mineralischen Basaltfasern eingesetzt werden. Auch hinsichtlich der dreidimensionalen Geometrie zeichnet sich der textile Leichtbau durch eine hohe Flexibilität aus.

Leicht wie Schaum

Wie lassen sich in Kombination mit textilfremden Herstellungsverfahren selbsttragende Bauteile herstellen, die zusätzliche Eigenschaften wie Dämm- oder Lichtleitfunktionen haben? Zur Beantwortung dieser Frage untersuchte das Forschungsteam unter anderem die Technik des Ausschäumens. Im Projekt „ge3TEX“ wurden recyclebare, druck- und zugstabile Leichtbauteile für die Gebäudehülle entwickelt. Das Textil dient dabei als eine Art formgebende Schalung, die mit Schaum befüllt wird. Darüber hinaus erfüllt die textile Bauteilhülle an der Unterseite des jeweiligen Elements eine lastabtragende Funktion. Als interessante Materialkombinationen identifizierten die Forschenden Verbindungen aus Basaltfasern und Schaumbeton, Glasfasern und Blähglas sowie PET-Fasern und PET-Schäumen. Die Verwendung des gleichen Materials für Hülle und Füllung des Bauteils soll zu einer besseren Recyclebarkeit beitragen.  


Gedruckte Oberflächen

Im Projekt „6dTEX“ wurde das Zusammenspiel von sandwichartigen 3D-Textilien und additiven 3D-Drucktechniken untersucht. Mithilfe des 3D-Drucks kann die Oberflächenstruktur des Textils individuell modifiziert werden. In Kombination mit dem zugfesten, befüllbaren Textil können Verbundelemente aus werkstoffgleichen und kreislauffähigen Materialien entstehen. Als erfolgreich erwies sich bisher das Verbundverhalten von Textilien aus Polyester, die mit einem ebenfalls polyesterbasierten Material bedruckt wurden sowie der Verbund von Glas-Textilien und Betondruck. Aus dem erstgenannten Verbund sind beispielsweise Sonnenschutzelemente mit steuerbaren Transparenzen entstanden. Aus der zweiten Kombination konnten Wand- und Deckenelemente aus Glasfasertextilien und gedruckten Betonskelettstrukturen im Maßstab 1:1 realisiert werden.

Über Roma
ROMA ist die führende Marke für Sonnenschutzsysteme mit höchstem Anspruch an Funktionalität, Ästhetik und Langlebigkeit. Als mittelständisches Unternehmen mit über 1.500 Mitarbeitern ist unsere wichtigste Erkenntnis in mehr als 40 Jahren Unternehmensgeschichte: Wohnen beginnt vor dem Fenster. Mit ROMA Rollladen, Raffstoren und Textilscreens haben Sie die Möglichkeit, das Raumklima, die Lichtstimmung und die Privatsphäre zu gestalten, denn kein anderes Element eines Gebäudes hat darauf mehr Einfluss als der Sonnenschutz.

Inflatable Architecture

Im Gespräch mit Albert Martin Tschechne über Luft als Baustoff

Interview von Katharina Lux

Ephemere Strukturen, aufblasbare Architekturen – diese Ideen zeigen sich in Entwürfen von Buckminster Fuller bis hin zu Umsetzungen von Hans-Walter Müller oder heute bei raumlaborberlin. Nun können wir auf dem Instagram-Konto @on.air.spaces eine wachsende Sammlung von Architekturen aus dem „Baustoff Luft“ durch die Zeit verfolgen. Albert Tschechne steckt hinter dem Kanal, arbeitet mit raumlaborberlin und hat sich im Zuge und Anschluss seiner Master-Thesis  „Designing with air-pressure – theory, analysis, practice“ am Politecnico di Milano intensiv mit dem Thema auseinandergesetzt. Wir haben mit ihm über seine Recherchen sowie über die Eigenschaften, Chancen und Beweggründe dieser Form des leichten Bauens gesprochen.

Wie entstand dein Interesse zum Thema „Inflatable Architectures“ und daraus auch deine Abschlussarbeit?

Albert Martin Tschechne: Aus einer ursprünglichen Motivation, als Abschlussarbeit kein klassisches spekulatives Architektur-Uni-Projekt zu planen, sondern am liebsten eine Hüpfburg für Kinder und Erwachsene zu entwerfen (und auch umzusetzen), wurde durch eine passende Gelegenheit eine Theorie-Arbeit mit Praxisbezug. Durch die planende und ausführende Mitarbeit an einem Pavillon mit pneumatischer Dach-Konstruktion habe ich eine weiterführende und reflektierende Analyse und Recherche geschrieben. Diese drehte sich um pneumatischen Konstruktionen, aufblasbaren Strukturen, Luft als strukturgebendes Element und vor allem die Nutzung von Luftdruck zur Abgrenzung und Gliederung von Raum. Die Aufarbeitung und Reflexion von dem praktischen Projekt und die Beschäftigung mit dem historischen und designtheoretischen Kontext bezieht sich dabei auf eine umfassende Sammlung von Referenz-Projekten. Das eigentliche Ergebnis der Recherchearbeit ist die Analyse und vergleichende Betrachtung dieser Projekte, vor allem in Betracht auf die Möglichkeiten, die Aufrechterhaltung von Luftdruck und eine praktische Nutzbarkeit miteinander zu vereinen.

Welchen Mehrwert bieten ephemere, aufblasbare Strukturen heutzutage und in Zukunft?

Albert Martin Tschechne: Etliche sehr unterschiedliche Akteur*innen verwenden die Technik von aufblasbaren Strukturen auf äußerst unterschiedliche Weise, wobei die Phänomene der Plötzlichkeit und der Leichtigkeit fast immer irgendwie eine Rolle spielen. Die Installationen müssen nicht immer ephemer sein, sondern vor allem mit modernen Kunststoffen wie etwa ETFE sind auch permanente ultraleichte Strukturen möglich. Neben konstruktiven und praktischen Vorteilen für temporäre, spontane oder minimalinvasive Installationen sind der geringe Materialaufwand und die Verfügbarkeit und Volatilität des zentralen Baustoffes, der Luft ein interessanter Punkt. Das Material wird nicht verbraucht, sondern nur temporär eingeschlossen und steht jederzeit überall zur Verfügung, so können die Installationen besonders flexibel als gestalterische Instrumente und Pop-up Räume genutzt werden. Leider wird die Mobilität der temporären Installationen oft nur vorgesehen, die Strukturen werden aber nur einmal genutzt und danach eingelagert. 

Inwieweit ändert sich der gestalterische Ansatz, wenn die
Bausubstanz auf ein Minimum reduziert wird?

Albert Martin Tschechne: Die Leichtigkeit des geringen Materials ermöglicht eine hohe Freiheit und Flexibilität in der Planung der Formen und auch etwa in der Anpassung an die gebaute oder umgebaute Umgebung. In dem Essay „Monumental Windbags“ beschreibt Reyner Banham eine greifbare Monumentalität und nennt den Vergleich von Materialaufwand und Größe („the inherent dichotomy of monumentality and their quasi-immaterial lightness and vulnerable playfulness“). Die tatsächliche Flexibilität der Installationen schafft eine eigene Dynamik, eine neue Dimension in der Planung und Nutzung. Für mich spielen aber auch die besondere Atmosphäre und angenehme Wirkung von aufgeblasenen Installationen eine große Rolle. Die Strukturen erregen Neugier und laden zum Näherkommen, zum Anfassen und zu Interaktion ein. Die Leichtigkeit steckt nicht nur in der Konstruktion, sondern auch in der positiven und animierenden Wirkung der Bubbles.

Lassen sich solche Strukturen nur temporär denken? Was sind die Nachteile und Chancen?

Albert Martin Tschechne: Die Leichtigkeit von pneumatischen Strukturen schafft auch faszinierende Möglichkeiten für permanente Konstruktionen wie etwa Nicholas Grimshaws gigantische Greenhouses für das „Eden Project“. Es gibt viele Beispiele für pneumatische Bauelemente, die permanent sind, vor allem aus dem widerstandsfähigen und UV-stabilen ETFE. Im omnipräsenten Diskurs über Nachhaltigkeit, Materialeffizienz und Anpassungsfähigkeit können und sollten pneumatische Strukturen als ernsthafte dynamische Alternativen zu massiven und schweren Materialien gezählt werden. Das kann bedeuten, dass sie in permanenten Strukturen genutzt werden oder auch, dass einige Bauaufgaben von vornherein in Teilen bzw. auch vollständig flexibler und mobiler gedacht werden können. Marc Wigley beschreibt das mit: „Buildings finally become modern in becoming portable, packable, flexible, instant, inexpensive, animate, responsive, expandable, and expendable“.

Wie setzt du dich neben deiner Research-Arbeit in der Praxis mit dem Thema auseinander?

Albert Martin Tschechne: Der Pavillon am Haus der Kulturen der Welt war das erste Projekt mit pneumatischer Struktur, an dem ich über den gesamten Prozess beteiligt war, mein Forschungsinteresse zielt aber nicht darauf ab, ausschließlich aufblasbare Konstruktionen zu entwerfen. Die praktische Auseinandersetzung mit einer aufblasbaren Konstruktion ist sicherlich aufschlussreich und wird auch nicht mein letztes vergleichbares Projekt sein. In meiner Recherche versuche ich allerdings, möglichst viele verschiedenen Perspektiven, Potenziale, Ideen und Formen zu untersuchen und zu vergleichen, bestenfalls aus unterschiedlichem Kontext und an verschiedenen Orten und Zeitpunkten. In welcher Form ich die Recherchearbeit weiterführen und einbringen kann, werde ich sehen, hoffentlich sowohl in praktischen Projekten als auch in weiterer theoretischer Arbeit. Auch meine Perspektive auf Gestaltung und Architektur ohne pneumatische Strukturen verändert sich durch diese Beschäftigung immer wieder und immer weiter.

Wie kuratierst du der Instagram-Kanal „on.air.spaces.“ und was soll er vermitteln?

Albert Martin Tschechne: Als Inhalt für die ersten Beiträge habe ich einfach genutzt, was ich ohnehin recherchiert, gesammelt und geschrieben hatte. Ich wollte damit testen, wie sich Instagram als Plattform nutzen lässt. Ich finde und lerne viele neue Projekte und Akteur*innen auf der ganzen Welt kennen, mein Archiv wächst immer weiter, und ich entdecke auch immer neue Ansätze und Potenziale. Ohne zu bewerten oder zu urteilen, liste ich einfach verschiedene Verwendungen von aufblasbaren Strukturen auf. Den Account begreife ich für den Moment einfach als eine Art Sammlung und Plattform für pneumatische Strukturen. In meiner eigenen Recherche folgt nach der Charakterisierung von Projekten immer eine kurze geschriebene und eine grafische Analyse, in der ich vor allem die Rolle des Luftdrucks (oder des verwendeten Gases) nachvollziehe und die Schwelle von Innen- und Außenraum suche.

Über ROMA
ROMA ist die führende Marke für Sonnenschutzsysteme mit höchstem Anspruch an Funktionalität, Ästhetik und Langlebigkeit. Als mittelständisches Unternehmen mit über 1.500 Mitarbeitern ist unsere wichtigste Erkenntnis in mehr als 40 Jahren Unternehmensgeschichte: Wohnen beginnt vor dem Fenster. Mit ROMA Rollladen, Raffstoren und Textilscreens haben Sie die Möglichkeit, das Raumklima, die Lichtstimmung und die Privatsphäre zu gestalten, denn kein anderes Element eines Gebäudes hat darauf mehr Einfluss als der Sonnenschutz.